Relativ am Anfang meiner Ausbildung, so um 2012, saß ich in der Maßnahme zur Qualifizierung „Kleinstkindpädagogin VHS“ und sollte mir ei Referatsthema aussuchen. Damals, als Quereinsteiger in die Sozialassistenz-Klasse 2 waren Referate ja quasi noch mein täglich Brot. Ich versuchte unter all den Angebotenen und möglichen Themen eins herauszusuchen, welches ich bearbeiten wollte. Ih suchte nach einem Thema, das ich nicht mit schon vorhandeem Wissen hinunter referieren konnte, sondern nach Neuland, denn ich wollte möglichst schnell möglichst viel lernen.
Mach dich bekannt mit dem Unbekannten
Unsere Dozentin machte eine ganze Reihe guter und interessanter Vorschläge und um mich herum stürzten sich alle auf die beliebten Themen. Ganz am Ende ihrer Ausführung sagte sie dann: “ Oder es macht jemand etwas zum Thema Inklusion!“. Challenge accepted.
Als ich mich meldete um freiwillig über eben dieses Thema zu referieren, hatte ich den Begriff noch nie zuvor in meinem Leben gehört.
Heute, sechs Jahre später, hat das Thema Inklusion wesentlich mehr Öffentlichkeit erfahren, als es damals der Fall war. Und doch noch nicht genug, denn an den wenigsten Bildungseinrichtungen sind die Vorraussetzungen gegeben um wirklich inklusiv, also frei von Kategoriserung, arbeiten zu können.
Was ist das eigentlich? Inklusion?
Inklusion meint, einfach gesprochen, die Weiterentwicklung der Integration. Während wir in der Regelgruppe von homogenen Verhältnissen, Kindern mit gleichen oder ähnlichen Vorraussetzungen und Fähigkeiten, ausgehen, soll Integration dazu da sein, auch einige wenige die diesem „Normalzustand“ nicht entsprechen in die ansonsten homogene Gruppe zu integrieren. Inklusion würde den notwendigen Schritt weitergehen und würde als Ausgangspunkt die Annahme etabliere, dass jeder Mensch in irgendeiner Hinsicht einen speziellen Bedarf hat und es deshalb kein „Besser“ oder „Schlechter“, kein „Normal“ oder „Anders“ gibt. Jedes Kind bringt individuelle Bedürfnisse mit in den Einrichtungsalltag auf die das pädagogische Personal adäquat reagieren können muss.
Wo liegt das Problem?
Es ist einfach, Inklusion so darzustellen und zu sagen „Es sind nicht alle gleich, sondern halt alle anders! Und jetzt lebt das mal!“, doch leider birgt der Ansatz einige praktische Probleme für die es nur selten gute Lösungen gibt. Zum einen sehen wir schon an Integrationsgruppen, das häufig aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen dazu geneigt wird, eher den „leichten Fällen“ Vorzug zu geben. Das Kind mit dem Hörgerät „läuft zur Not auch mal so mit“, auch wenn es alles andere als wünschenswert ist, das Bedürfisse übergangen werden. Das ist bei motorisch starkeingeschränkten Kindern schon etwas ganz anderes. Als weiteres Problem: Ich erinnere mich daran, dass Timm Albers in seinem Buch „Mittendrin statt nur dabei! inklusion in Krippe und Kindergarten“ vom sogenannten Ettikettierungs-Ressourcen-Dilemma sprach. Davon, dass es aller inklusiven Bemühungen zum Trotz weiterhin notwendig ist, Defizite und Einschränkungen zu klassifizieren, um entsprechende Hilfs- und Fördermittel aquirieren zu können. Der Moment in dem zwar alle zusammen anders sind, bleibt somit aber auch der Moment an dem offiziell festgestellt werden muss, wer noch anders anders als alle Anderen ist. Und das macht die Inklusionsbemühungen an dieser Stella dann zu einer Farce.
Die Konsequenz, die im ersten Schritt notwendig wäre, um das Politikum „Inklusion“ auch in der pädagogischen Praxis mit Leben füllen zu können, wäre eine drastische Änderung der Rahmenbedingungen. Geringere Kinderzahlen in den Gruppen, mehr Personal, mehr Qualifikationsmöglichkeit für das Personal, mehr Raum um die sogenannte „Besenkammer-Integration“ zu verhindern, besser geplante und ausgestattete Räume/Kitas, mehr Verfügungszeiten um Bedürfnisse auch ausreichend entdecken, beobachten, dokumentieren und auffangen zu können.
Deutschland hat sich, wie viele weitere Länder, mit Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, sich auf den Weg in eine inklusive Welt zu machen. Und trotzdem bauen wir auch heute noch massenweise Kitas die niemals einem inklusiven Standard gerecht werden könnten und wirken gefühlt auch auf keiner anderen Ebene daraufhin, Inklusion in Schulen mit Sinn zu füllen und den Ansatz dann weiter in die Kitas zu tragen. Aber wie sollen Kinder lernen miteinander zusammen zuleben und dabei respektvoll mit dem Anderen und seiner individuellen Ausgangslage umzugehen, wenn sie von kleinauf aufgrund schlechter Rahmenbedinungen Separation statt Inklusion erfahren?
Wir haben noch ein paar mehr Stimmen und Tipps weiterführend zu diesem Thema. Sie folgen in Kürze! Bis dahin würde uns interessieren, wer von euch in einer inklusiven Einrichtung arbeitet, welche diesen Namen auch zurecht trägt. Schreibt uns unter kontakt@kitamag.de! Gern auch, wenn ihr andere Erfahrungen und Meinunge zum Thema habt. Wir freuen uns über den konstruktiven Austausch!
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