Ela fragte neulich via Instagram Folgendes:
„Habt ihr Inklusionskinder im Kindergarten und „funktioniert“ das gut?Ich frage deshalb, weil ich gerade vor der Frage stehe, ob ich meine Tochter in eine heilpädagogische Tagesstätte gebeoder mit Einzelfallhilfe in die normale Kita! Sowas von Fachkräften zu hören finde ich interessant! Ich weiß, dass man das nicht pauschal beantworte kann, da jeder Fall anders ist. Aber so die generelle Inklusionsstimmung ist hier wirklich nicht, ich sage mal „rosig“!“
Erstmal ist es ja vom Grundsatz her schon eine spannende Frage, denn wie inklusiv ist inklusive Arbeit und Inklusion, wenn von Inklusionskindern die Sprache ist? Müsste es nicht letztlich heißen „Arbeitet ihr inklusiv?“ und damit alle Kinder in der Gesamtheit abdecken, egal wie ihre speziellen Bedürfnisse und Vorrausetzugen aussehen? Das zeigt sehr gut, dass in der Praxis oftmals einfach nur das Schild „Integration“ gegen das Schild „Inklusion“ getauscht wurde, der Inhalt der Kiste aber gleich bleibt.
Ich arbeite in meiner Kita zwar mit inklusiver Grundhaltung, aber nicht wirklich offiziell im Sinne der Inklusion. Bislang gab es kein Kind, dass wir nicht aufnehmen konnten, doch sind die Vorraussetzunge für Krippen auch ein wenig anders als im Kindergarten. Das hat mich in diesem Fall aber nicht davon abgehalten, ein bisschen genauer nachzufragen.
Für mich war es in dieser Diskussion erst einmal wichtig, gewisse Dinge vorab zu klären. Ein schwieriges Thema ist nämlich, die richtigen Worte für das zu finden, mit dem Kinder und Eltern täglich konfrontiert sind. Behinderung? Defizit? Entwicklungsrückstand? Beeinträchtigung? Besonderer Bedarf? Special Need? Disability? Spezielle oder individuelle Voraussetzungen?
Ich habe vor ein paar Jahren ein sozialpädagogisches Praktikum in einem Förderzentrum für Mehrfachbehinderte gemacht und dort wurde einfach von Menschen, oder in dem speziellen Fall von Kindern mit Behinderung gesprochen. Allerdings sprachen dort Elternund Therapeuten, welche ja durchweg nicht behindert waren. Aus meiner pädagogischen Praxis weiß ich aber, dass Eltern und Kinder das oft sehr sehr unterschiedlich sehen, handhaben und gehandhabt sehen wollen. Ich fragte also:
Meine Frage: „Erstmal eine Frage die dir vielleicht komisch vorkommt, aber mir sehr wichtig ist! Ich lese aus deiner Nachricht heraus, dass deine Tochter in irgendeiner Hinsicht einen speziellen Bedarf oder eine Einschränkung hat. Sie bringt irgendetwas mit, dass in einer inklusiven Einrichtung gut aufgehoben seien könnte aber auch in eine heilpädagogische Einrichtung passen würde. Wie würdest du das nennen? Welche Begrifflichkeit fühlt sich für dich in dem Zusammenhang nicht falsch, übergriffig oder respektlos an?
Elas Antwort: „Bei mir musst Du Dir keine Gedanken um die Wortwahl machen. Ich seh dem ganzen realistisch ins Auge und weiß, dass mein Kind niemals CEO in irgendeinem DAX Unternehmen wird. Ich bin froh, wenn Annie glücklich ist in ihrer Welt und sie Akzeptanz erfährt. Alles andere wird sich dann zeigen.
Meiner Erfahrung nach ist eines der Probleme das Dinge nicht beim Namen genannt werden. Ich weiss nicht wieso sich generell so schwer getan wird. Wenn jemand behindert ist ist er behindert. Alles andere sind nur Umschreibungen, machen aber keinen Unterschied. Wenn mich jemand danach fragt was mit meinem Kind ist und ich sage, dass sie behindert ist, sehe ich in fast allen Fällen das blanke entsetzen in dem Gesicht meines Gegenüber. Anderssein oder ein Leben mit Behinderung ist in unser Gesellschaft eine Randerscheinung, darüber redet man nicht. Schon gar nicht sagt man das „b“ Wort. Oft bekomme ich zu hören „Das kannst Du doch nicht so sagen, das Kind ist krank“ und ich frage dann nach dem „Warum“, denn Annie ist nicht krank, sie hat keinen Schnupfen den man mit ein bisschen Tee auskurieren kann. Die Menschen wollen vermutlich nicht mit Deinem „Leid“ belastet werden. Ich empfinde es nicht als Leid. Es ist mein Kind, es ist wie es ist und wir akzeptieren und liebes genauso bedingungslos wie unsere Tochter, die kerngesund ist. Annie ist nicht krank, Annie ist behindert. Punkt.
“
Meine Frage: „Worum, wenn du antworten magst, handelt es sich in eurem Fall? Aus Kitasicht kann es schon ein großer Unterschied sein, ob wir hier von einem schweren Hirnschaden, einem Entwicklungsdefizit durch Gendefekt, einem Defizit durch Frühgeburt oder einem „einfachen“ Hörschaden reden.“
Annie läuft, nicht gut, aber gehen sie kann gehen ein Stück. In der Wohnung kein Problem, draussen sieht das anders aus. Sie ist maximal wahrnehmungsgestört in allen Bereichen. Sie kann nicht sprechen, lautiert nur (wir arbeiten an einem Rehavista Gerät zu „Sprachunterstützung“), sie kann nicht selber essen und oder trinken. Sie nimmt Gegenstände in die Hand, aber HandMundKoordination ist nicht da. Ihr geistiges Alter ist nicht ermittelbar laut SPZ. Sie liegt irgendwo zwischen acht Monaten und einem Jahr, seit einem Jahr tut sich auch nichts diesbezüglich und sie ist vor kurzem drei geworden. Jeder Tag ist anders, an einem Tag nimmt sie ihre Trinkflasche und versucht selber zu trinken, am nächsten Tag kann sie nicht mal mehr die Flasche nehmen.Es gibt keine logisch erklärbaren Algorithmen die ihr Tun erklären können. Sie bekommt jede Unterstützung die sie braucht von uns, wir therapieren ins Blinde was sich aber bislang als erfolgreich rausgestellt hat und wir nehmen uns immer wieder bewusst Pausen die wir alle brauchen!
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[…] kurzem durfte ich im Kita-Magazin von Vanessaein paar Fragen beantworten die sie ungefiltert veröffentlich hat!Gerne möchte auch […]